Sich beschweren, heißt die Welt formen
Von Jeanine Barth, 22. September 2014. Foto: Ari
Laut Albert Einstein nutzt der Mensch nur zehn Prozent seines Wut-Potenzials. Hans-Joachim Heist alias Gernot Hassknecht hatte es sich bei den Meininger Kleinkunsttagen zur Mission gemacht, genau diese Bilanz zu verbessern.
Als cholerisch schimpfender und schreiender Fernsehnachrichten-Kommentator in der ZDF-Satiresendung „heute-show“ dürfte vielen die Kunstfigur Hassknecht bekannt sein. Diese wurde via TV so erfolgreich, dass Heist seit September letzten Jahres mit dem Bühnenprogramm „Das Hassknecht Prinzip – in zwölf Schritten zum Choleriker“ durch Deutschland tourt. Auch die Meininger hatten ihn eingeladen: Am Samstagabend war er Gast der Kleinkunsttage.
Das Prinzip klingt erstmal neu: Dem Publikum in zwölf einfachen Schritten den Weg zum echten Choleriker weisen. Denn das findet Hassknecht wichtig – sich aufregen, Frust und Ärger lautstark auf den Punkt bringen. Schließlich sei die Beschwerde der Motor des Fortschritts. Eine Anleitung gibt es dann auch grob. Zunächst einmal mittels autoaggressivem Training, bei dem sich die Zuschauer erst in Rage hecheln, um dann einen donnernden Schrei auszustoßen. Im beinahe ausverkauften Großen Haus des Meininger Theaters macht das schon was her – vor allen Dingen dann, wenn tatsächlich
der ganze Saal mitwütet, so dass der Boden vibriert. Überhaupt zeigt sich die Zuschauermenge überaus amüsiert, wenn Hassknecht seine sogenannten destruktiven Anregungen für mehr negative Energie im
Alltag gibt. Nach zehn Minuten Schrei-Programm am Morgen ersetze man ein „Guten Tag“ zukünftig mit der Grußformel „Was glotzt’n du so doof, du Penner?“, pöble im Park Hundebesitzer an und nutze überhaupt jede sich bietende Gelegenheit um rumzumotzen. So seien zum Beispiel Beschwerdebriefe eine tolle Methode um ganztägig auf 180 zu bleiben. Da zählt er für seinen Teil schon mal die Sesamkörner auf dem Frühstücksbrötchen, um einen Grund zu haben, seinem Bäcker täglich verbal eine vor den Latz zu knallen. Auch zum Thema Ernährung hat er eine Empfehlung: „Ausgewogenheit ist
scheiße“. Wie da ein eigens von Hassknecht zusammengestelltes Festtagsmenü aussieht, dürfte man sich vorstellen können.
Bei allen hier und da eingestreuten Ratschlägen rund um den Wutanfall ist das Hassknecht-Prinzip jedoch vor allen Dingen eins: eine etwas andere Verpackung für einen politischen Kabarett-Abend, bei dem jeder amtierende Volksvertreter mindestens einmal durch den Kakao gezogen wird – was man von politischem Kabarett eben so kennt. Auch thematische Schwenker in die Bereiche Fernsehen, Familie oder Partnerschaft landen ihre Pointen meist im politischen Sektor.
Das Meininger Publikum jedenfalls fand’s großartig und die „heuteshow“, die an diesem Abend nicht zu wenig Präsenz findet, dürfte sich über bestätigende Einschaltquoten freuen.