Datterich

Darmstädter Lokalposse von Ernst Elias Niebergall

Premiere
14. Juni 2025
Rolle
Datterich
Regie
Philip Tiedemann
Theater
Staatstheaters Darmstadt (Großes Haus) unter Mitwirkung der Hessischen Spielgemeinschaft 1925 e.V.

Neuinszenierung auf Hessisch

Wer genug trinkt, sieht zweimal so viel von der Welt! Mit diesem Versprechen auf Erkenntnis bestellt Datterich einen Schoppen nach dem anderen. Und wenn das nötige Kleingeld sich dem Ende zuneigt, und dem neigt es sich ständig zu, weiß der Pensionär sich zu helfen: Für einen guten Tropfen schröpft er den Schuhmacher, bezirzt die Wirtin und leiert dem zugezogenen Drehergesellen Schmidt mit lustvoller Penetranz einen gediegenen Rausch aus den Rippen.

Die Lokalposse vom Überlebenskünstler Datterich ist bald 200 Jahre alt und wird seit 1925 von der damals gegründeten Hessischen Spielgemeinschaft aufgeführt. Bis heute ist der südhessische Jargon dem Klang des Datterich so nah, dass strittig ist, ob Ernst-Elias Niebergall in der Lage war, den Darmstädter Zungenschlag mit dieser Komödie zu kanonisieren oder ob Darmstadt stattdessen in den weichen Worten und Wendungen babbelt, die Niebergall dem Datterich und seinen Saufkumpanen in den Mund legte.

Die Darmstädter Mundart ist es auch, die dem Stück zum Erfolg verhalf, obwohl es an den meisten deutschsprachigen Theaterstandorten wohl kaum verstanden würde. Unvorstellbar ist aber ein hochdeutscher Datterich, denn erst in der sprachlichen Verdichtung wird diese Posse zum Welttheater im Lokalen – in Weinlokalen, um genau zu sein. Wie in einer dokumentarischen Milieustudie zeigt Niebergall nahezu beliebig profane Alltagssplitter von den Theken der Altstadt. Dem Publikum begegnen in einer kleinen, in dieser Inszenierung beinahe zweidimensionalen Welt episodische Versatzstücke des Lustspiels: Liebesverwirrungen, ein betrogener Betrüger, ein verfolgter Schuldner, das rassistische Weltbild eines eingebildeten Intellektuellen. Nichts und niemand ist davor gefeit, von Datterich aufs Korn genommen zu werden. Bei aller Kritik am Kleinbürgerlichen bleibt auch Datterich selbst – trotz all seiner Raffinesse – einer der verabscheuten Kleinbürger. Nüchtern betrachtet vielleicht sogar der kleinste unter ihnen.
Ebenso wie sein Held steht auch dieser Theatertext ganz für sich. Trotz aller Versuche Datterich zu Woyzecks Zwilling und Niebergall zum Dramatiker von Weltrang hochzujubeln, bleibt dieser Schwank auch in diesem Sommer das, was er schon immer war: Das beste Stück Volkstheater aus, über und für die beste Stadt Südhessens.
So unterhaltsam, man müsste es zweimal sehen!

Quelle: Staatstheater Darmstadt | Copyright Fotos: Jonas Weber

Hans-Joachim Heist ist als Datterich tatsächlich die Paradebesetzung. Er beherrscht nicht nur den Dialekt bis hin zu der leicht bösartigen Tonfärbung, sondern auch die gleichzeitig freche und anbiedernde Art dieser Figur. Mit dem zotteligen Haar und dem etwas verrutschten Kostüm stellt er den Typus des schleimigen Schnorrers überzeugend dar und spielt ihn so unsympathisch, wie Niebergall ihn gemeint hat.

Egotrip, 15.06.2025

Unter der Regie von Philip Tiedemann gelingt eine charmante Neuinszenierung auf Hessisch, auch dank der Musik, die von drei Musikern live gespielt wird.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.06.2025

Produktions­infos

Besetzung

  • Datterich – Hans-Joachim Heist
  • Bennelbächer – Florian Mania, Reiner Maurer
  • Spirwes – Heinz Neumann
  • Knerz – Jörg Friedrich (Fiete) Schmidt
  • Dummbach, Drehmeister – Thomas Schüler
  • Babette, Dummbachs Frau – Karin Heist
  • Marie, Dummbachs Tochter – Sophia Carnier
  • Schmidt, Drehergeselle – Luca Lisowski, Florian Mania
  • Steifschächter, Schneidermeister / Theken-Heini, Kneipengast – Oliver Noweck
  • Bengler, Schumachermeister / Hannes, Kneipengast – Ralf Hellriegel
  • Fritz Knippelius, Metzgermeister – Dawid Kosc, Florian Mania
  • Evchen, Mariens Freundin – Annika Grüschow
  • Lisette, Kellnermädchen – Elisa Glock
  • Drei Musikanten – Timo Willecke, Lucas Dillmann, Elija Kaufmann, Daniel Malkmus
  • Regie – Philip Tiedemann
  • Bühne & Kostüm- Alexander Martynow
  • Musik/Komposition – Timo Willecke
  • Musikalische Einstudierung – Silvia Willecke
  • Dramaturgie – Kornelius Luther