Gernot Hassknecht: Wutbürger der Nation

Von Gerald Block, 01. März 2013. www.rhein-main.net.

Fotos: © ZDF, Hans-Joachim Heist

Interview Gernot Hassknecht

Der Schauspieler Hans-Joachim Heist alias Gernot Hassknecht geht mit neuem Programm auf Deutschlandtour.

Seit Ende 2009 begeistert ZDF heute show (freitags, 22:30 Uhr) Wut-Kommentator Gernot Hassknecht (dargestellt vom Schauspieler Hans-Joachim Heist) sein Millionen-Publikum. Ab September wird dieser eigensinnige und mehrfach preisgekrönte Charakterkopf nun auch auf deutschen Bühnen mit seinem neuen Live-Programm „Das Hassknecht Prinzip – in zwölf Schritten zum Choleriker“ zu sehen sein.

Aus diesem Grund startet „Hajo“ Heist nun am 23. März in Pfungstadt (Südhessen) mit einer Vorpremiere seine Hassknecht-Deutschland-Tour.

Gerald Block: Herr Heist, 2009 haben Sie mit 60 in der Rolle des ZDF heute show Kommentators Gernot Hassknecht eine Euphorie ausgelöst, die bis heute nicht an Kraft verloren hat. Würden Sie diesen Gernot Hassknecht als Ihren persönlichen Glückstreffer bezeichnen?
Hans-Joachim Heist: (lacht) Gute Frage. Ich bastle ja gefühlt bereits seit 60 Jahren an meiner Karriere (lächelt hintergründig). Spaß beiseite: Natürlich hatte ich Glück, dass ich diese Rolle im ZDF bekommen habe, dass die Sendung inzwischen erfolgreich und preisgekrönt ist, dass Gernot Hassknecht ein prägnanter Typ ist – und dass die ZDF heute show mittlerweile Kultstatus besitzt.

Gerald Block: Bei aller Bescheidenheit: Irgendwie mussten die heute show-Macher doch auf Ihr Talent aufmerksam geworden sein?
Hans-Joachim Heist: Ich denke durch meine Miniserie „Heist“, das sind YouTube-Videos, die Szenen aus dem Leben eines leicht aus der Fassung zu bringenden Familienvaters zeigen. Diese Episoden hatte ich vor Jahren daheim mit meiner Familie aufgenommen. (Siehe: https://hajoheist.de/fernsehen/heist.html)

Gerald Block: Und wer hat nun diesen cholerischen Hassknecht ins Leben gerufen?
Hans-Joachim Heist: Oliver Welke. Ich wurde eigentlich zuerst für den Senior-Reporter Ulrich von Heesen gecastet. Diese Rolle hat dann Dietrich Hollinderbäumer bekommen. Erst im Dezember 2009 kam dann die Rolle des Kommentators hinzu – und man hat sofort an mich gedacht!

Gerald Block: „Hassknecht“ klingt, als hätte der junge Oliver Welke mal eine hässliche Erfahrung mit Knecht Ruprecht gemacht?
Hans-Joachim Heist: (bemüht sich, die Contenance zu wahren) Das entzieht sich meiner Kenntnis.

Gerald Block: Hat denn dieser leicht reizbare ZDF-Kommentator irgend einen Einfluss auf ihr Leben? Und färbt möglicherweise Heist auf Hassknecht ab?
Hans-Joachim Heist: Einfluss auf Hans Joachim Heist – eigentlich nur insofern, dass ich heute bekannter bin und mich heute weitaus mehr Menschen ansprechen. In meinem Beruf gilt: Man ist immer die Figur, die man gerade spielt bzw. verkörpert. Egal, ob sie nun Heinz-Erhardt, Joseph Bieder oder Gernot Hassknecht heißt. (…) Letztendlich schwingt in jeder Rolle auch etwas von Hans-Joachim Heist mit.

Gerald Block: Der Volksmund sagt: „Dem Choleriker geht man besser aus dem Weg!“ Der duldet keine Widerrede, sonst geht er an die Decke. Deutschlands „Zorn-Erscheinung“ Nummer 1 besitzt eine riesige Fan-Gemeinde und wird (trotz seiner Ausraster) verehrt. Wie erklären Sie sich dieses Phänomen?
Hans-Joachim Heist: Ganz einfach: Dieser Gernot Hassknecht spricht den Bürgern aus der Seele. Und vielleicht würde jeder gern mal ausrasten wollen, wenn es um Themen geht, die gegen jede menschliche Vernunft gerichtet sind.

Gerald Block: Würden Sie sagen, dass die Art und Weise, wie sich Gernot Hassknecht aufführt, in jedem Fall erlaubt ist?
Hans-Joachim Heist: Allerdings. Nicht nur erlaubt, sondern sogar gefordert – ein Muss sozusagen. Denn es gab schon Spots, bei denen Gernot überhaupt nicht wütend geworden ist. Postwendend hagelte es Publikumsreaktionen wie: Ist Gernot krank? Was habt ihr ihm gegeben? Hat er jetzt einen Maulkorb?

Gerald Block: Hier redet einer Tacheles, der auch nicht vor Fäkal-Kraftsprüchen oder Beleidigungen Halt macht. Ist Satire wirklich grenzenlos?
Hans-Joachim Heist: Ja, weil Satire eigentlich alles darf. Allerdings gibt es Grenzlinien wie beispielsweise menschenverachtende Äußerungen oder das menschliche Leid bei Katastrophen usw., die nicht überschritten werden sollten. Das Autoren-Team achtet eigentlich sehr darauf, dass diese Grenze nicht überschritten wird.

Gerald Block: Warum sind Hassknechts Kommentare gerne auch „politisch unkorrekt“?
Hans-Joachim Heist: In der Tat: Gernot Hassknecht ist „politisch unkorrekt“, überparteilich und bei weitem nicht weich gespült. Wobei man dieses „unkorrekt sein“ eigentlich als Stilelement der Figur betrachten sollte.
Mit der Rolle des „James“ in Dinner For One gewann Hans-Joachim Heist 1999 den Fachmedienpreis in der Sparte Comedy. Foto: Hans-Joachim Heist

Gerald Block: Woran liegt es, dass der Kommentator Hassknecht beim Publikum eine größere Reputation genießt als die meisten Politiker?
Hans-Joachim Heist: In unserem Land existiert zurzeit eine derartige Politikverdrossenheit, dass man über jeden Politiker dankbar ist, der klare Kante redet, der mal wirklich in keine Affäre verstrickt ist – und zu dem steht, was er sagt. Viele Menschen können diese nervigen „zu Guttenbergs, Wulffs, Steinbrücks, Brüderles, Schavans“ und, und, und einfach nicht mehr ertragen.

Gerald Block: Bekanntlich wird bei cholerischen Ausbrüchen eine Menge Adrenalin freigesetzt. Ist Hassknecht vielleicht so etwas wie ein Adrenalin-Junkie?
Hans-Joachim Heist: (lächelt verschmitzt) Gernot Hassknecht: mit Sicherheit! Hans Joachim-Heist: Auf keinen Fall.

Gerald Block: Hat sich denn Ihr Hausarzt noch nie besorgt gezeigt, dass Ihre beruflichen Wutausbrüche auf Dauer schädlich sein könnten?
Hans-Joachim Heist: Das geht nicht, ich habe eine Hausärztin – und die hat sich wirklich noch nie besorgt gezeigt. Vor 5 Jahren hatte ich mal eine leichte Hypertonie, bei der ich Tabletten schlucken musste. Allerdings habe ich die mit Sport und einer Ernährungsumstellung in den Griff bekommen.

Gerald Block: Über was regt sich Hans-Joachim Heist im wahren Leben auf?
Hans-Joachim Heist: Ungerechtigkeiten – die regen mich wirklich auf. So beispielsweise bei den Strompreisen. Wenn energieintensive Betriebe von der EEG-Umlage (Erneuerbare-Energien-Gesetz) befreit sind, und im Gegenzug die kleinen Steckdosen-Benutzer über Gebühr zur Kasse gebeten werden.

Gerald Block: Haben Sie außer Hassknecht noch Zeit und Muße für andere berufliche Herausforderungen?
Hans-Joachim Heist: Zumindest für Heinz Erhardt, den ich neben Gernot Hassknecht unbedingt weiterspielen werde. Die beiden sind völlig unterschiedlich im Charakter, und das macht es für mich interessant. Leider muss ich momentan auf Stücke wie „Der Kontrabass“, „Allein in der Sauna“, „Die Sternstunde des Josef Bieder“ oder „Dinner For One“ verzichten.

Gerald Block: Machen Ihnen Begegnungen im Stil von: „Hallo, Herr Hassknecht, toll wie Sie sich immer aufregen…!“ noch Spaß?
Hans-Joachim Heist: Selbstverständlich. Es freut mich, weil ich weiß, dass man die ZDF heute show wahrnimmt.

Gerald Block: Und was bekommen Sie sonst noch zu hören?
Hans-Joachim Heist: (setzt sein schönstes Lächeln auf) So wunderbare Sätze wie: „Ich schau mir die heute show ja eigentlich nur wegen Gernot Hassknecht an“. Meine Reaktion: „Entschuldigen Sie, aber das sind doch nur zwei Minuten“. Gegenreaktion: „Sie haben ja recht: Die ZDF heute show ist klasse – aber Sie gefallen mir am besten.“

Gerald Block: Wie sieht´s mit Autogrammen aus – sind die noch gefragt?
Hans-Joachim Heist: Aber hallo! Die habe ich natürlich immer dabei, weil sie wirklich heißbegehrt sind. Und außerdem zücken immer mehr Leute ihre Handys, Smartphones oder Fotos, um zu beweisen, dass ihnen Gernot Hassknecht aus der heute show begegnet ist.

Gerald Block: „ZDF heute show Vordenker“ Oliver Welke schreibt die Hassknecht-Kommentare gemeinsam mit einem Autoren-Team. Ist Ihr neues Programm „Das Hassknecht Prinzip – in zwölf Schritten zum Choleriker“ ebenfalls eine Welke & Co. – Produktion?
Hans-Joachim Heist: Das Programm wurde von den ZDF heute show Autoren Morten Kühne und Björn Mannel geschrieben. Übrigens fließen da auch Ideen und Passagen von mir ins Programm mit ein.

Gerald Block: Warum passiert das im Programm ausgerechnet in zwölf Schritten?
Hans-Joachim Heist: Das Team war inspiriert von so smarten Coaching-Sprüchen wie „In zehn Schritten reich werden!“, die als Ratgeber reihenweise in Buchhandlungen herumstehen. (…) Und da Hassknecht ein Prinzip (also Lebensregeln) erklärt, haben wir dieses in 12 Schritte gepackt.

Gerald Block: Wie wird Gernot Hassknecht die gut 120 Minuten auf der Bühne gestalten?
Hans-Joachim Heist: Auf keinen Fall wird er zwei Stunden herumbrüllen. Seine Texte sind weiterhin direkt und mit manch deftigem Wort-Witz gespickt. Zudem sind mehr Facetten von Hassknecht auf der Tagesordnung – u. a. auch Original ZDF heute show Spots. (…) Nicht zuletzt hat Gernot Hassknecht „Wie esse ich mich wütend?“ als Buch herausgebracht, weil Übersäuerung nun mal wichtig ist. Zugleich hat er die Ernährungspyramide auf den Kopf gestellt. Gemüse, Tofu usw. sind daher ganz unten zu finden. An der Spitze triumphiert nun der „Hassknecht Burger“ – und Gernot verkündet: Alles, was man isst, sollte früher mal ein Gesicht gehabt haben…!

Gerald Block: Welche Themen stehen außerdem noch auf der Hassknecht Agenda?
Hans-Joachim Heist: Zu den politischen Hassknecht-Monologen werden sich Themen wie: Autos, Verkehr, Mobilität, Ernährung, Familie und auch der Tod gesellen, weil Gernot Hassknecht seinen letzten Willen auf einem Self-Made-Video verewigt.

Gerald Block: Ihre jüngste Auszeichnung (verliehen am Rosenmontag im südhessischen Dieburg) ist mal nicht wie gewohnt der „Deutsche Comedypreis“ oder der „Deutsche Fernsehpreis“ oder der „Adolf-Grimme-Preis“ oder der „Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis“, sondern die „Holzig Latern“. Hat Sie die Auszeichnung aus Dieburg überrascht?
Hans-Joachim Heist: Ja – und sie hat mich natürlich sehr gefreut, weil ich aufgrund meines beruflichen Engagements der Mundart sehr verbunden bin. Schön ist, dass ich mich nun in eine Riege von Preisträgern wie Heinz Schenk, Walter Renneisen, Bodo Bach, den „Clowns Doktoren“, der „Augsburger Puppenkiste“, dem Darmstädter „Kikeriki-Theater“ usw. einreihen kann.

Gerald Block: Eigentlich sollte Hans-Joachim Heist bald den altersbedingten Bewusstseinszustand erreichen, bei dem er verkündet: Kinder, das war´s! Feierabend…! Geht Gernot Hassknecht in den wohl verdienten Ruhestand, wenn es Hans-Joachim Heist so will?
Hans-Joachim Heist: Ich denke ja! Und auch nur dann! Im Moment ist „Hajo“ Heist aber noch voller Tatendrang – er möchte das alles noch genießen und die Früchte seiner Arbeit ernten. Das Gute an diesem Beruf ist ja, dass man nicht unbedingt aufhören muss, wenn da eine bestimmte Zahl im Raum steht. Solange die Zuschauer Gernot Hassknecht noch sehen wollen, und solange mir die Bühnenarbeit noch Spaß bereitet, wird Gernot Hassknecht noch zu sehen sein.